Alitretinoin
Alitretinoin (9-cis Retinsäure) ist ein oral und topisch applizierbares Retinoid, das mit den intrazellulären Retinoidrezeptoren (RAR- und RXR-Rezeptoren) reagiert und dadurch sowohl eine immunmodulatorische wie auch eine antiinflammatorische Wirkung entfaltet. Es reguliert die bei ekzematösen Hautläsionen exprimierten CXCR3-Liganden und CCL20-Chemokine in Zytokin-stimulierten Keratinozyten und Endothelzellen der Haut herunter. Außerdem werden die Expansion Zytokin-aktivierter Leukozyten-Subpopulationen und Antigen-präsentierender Zellen unter-drückt. Bisherige klinische Studien mit oralem Alitretinoin (BACH-Studie: Benefit of Alitretinoin in Chronic Hand Eczema, Ruzicka 2008) zeigten die Wirksamkeit bei schweren chronischen Handekzemen* unterschiedlicher Genese und führten im Ok-tober 2008 zur Zulassung für diese Indikation in Deutschland.
(*Definition des schweren, therapierefraktären Handekzems:
Schwer: Mindestens 6 Monate bestehende moderate bis schwere hyperkeratotisch-lichenifizierte oder bläschenbildende Handekzeme mit Befall von mindestens 30% der schwerer betroffenen Hand.
Therapieresistent: Fehlendes Ansprechen auf Allergen- bzw. Irritanzienkarenz, Hautschutz und Basispflege sowie eine mindestens 8-wöchige topische Behandlung, darunter 4 Wochen Behandlung mit hochpotenten topischen Steroiden).
Handelsnamen: Toctino® 10mg und 30mg Weichkapseln. Hersteller: Basilea Pharmaceutica AG Schweiz, Basilea Pharmaceutica GmbH Deutschland. Packungsgrößen: Indikation: Behandlung des schweren chronischen Handekzems beim Erwachse- nen, das auf die Behandlung mit potenten topischen Kortikosteroiden nicht an- spricht. Kontraindikationen: Schwangere, stillende Frauen, Frauen im gebärfähigen Alter ohne sichere Kontrazeption, Patienten mit Erdnuss- oder Soja-Allergie, Fruktoseun- verträglichkeit, Leberinsuffizienz, schwere Niereninsuffizienz, unkontrollierte/r Hy- percholesterinämie/Hypertriglyzeridämie/Hypothyroidismus, Hypervitaminose A, gleichzeitige Tetrazyklin-Behandlung, Überempfindlichkeit gegen Alitretinoin, an- dere Retinoiden oder einen der Hilfsstoffe. Nebenwirkungen: Kopfschmerzen, Gesichtsröte, erhöhte Triglyzeridwerte, erhöhte Cholesterinwerte, erniedrigte Thyreotropinwerte, erniedrigte Werte an freiem T4. Psychische Beeinträchtigungen, entzündliche Darmerkrankungen, Diabetes mellitus, Farbenblindheit, Unverträglichkeit von Kontaktlinsen, Veränderungen in der Kno- chenmineralisierung und extraossäre Verkalkungen sind beschriebene Nebenwir- kungen von systemischen Retinoiden. Im Unterschied zu anderen in der Dermatolo- gie eingesetzten Retinoiden (Acitretin, Isotretinoin, Tretinoin) beeinflusst Alitreti- noin die Talgdrüsenaktivität nur gering. Die Austrocknung der Haut und Schleim- häute ist deutlich geringer ausgeprägt. Wechselwirkungen: Verstoffwechselung über Cytochrom P 450 3A4. Anstieg des Alitretinoin-Spiegels bei gleichzeitiger Einnahme von Medikamenten, die über das gleiche Cytochrom verstoffwechselt werden. Reduktion des Simvastatin-Spiegels bei gleichzeitiger Einnahme von Alitretinoin. Dosierung: Anfangssdosis 30mg täglich, bei Auftreten von unerwünschten Wirkun- gen Reduzierung auf 10mg/d möglich. Behandlungszyklus 12-24 Wochen. Einnah- me morgens zum Frühstück. Hinweise/Warnungen: Alitretinoin ist wie andere Retinoide teratogen! Verschrei- bung an Frauen im gebärfähigen Alter sollte nur nach gründlicher Aufklärung, nega- tivem Schwangerschaftstest, sicherer Empfängnisverhütung bis mindestens einen Monat nach Therapieende erfolgen. Die Verordnung sollte sich immer nur auf 30 Tage erstrecken und erst nach Kontrolltermin verlängert werden. Schwangerschafts- tests sollten 4 Wochen vor Therapiebeginn, zum Therapiebeginn und dann zum mo- natlichen Kontrolltermin durchgeführt werden. Der letzte Schwangerschaftstest wird 5 Wochen nach Therapieende durchgeführt.
Bei klinischem Verdacht auf Erkrankungen der Leber, der Schilddrüse oder Störun-gen im Fettstoffwechsel sollten vor und im Verlauf der Behandlung Lebertransami-nasen, Schilddrüsenfunktionsparameter und die Blutfette untersucht werden. Dabei gelten Werte für GOT/GPT, die 250% und Blutfette die über 200% der Norm liegen, aber auch ein erniedrigter Hämoglobinwert als Ausschluss für eine Alitretinoinbe-handlung.
Notiz: Eine topische Applikationsform der 9-cis Retinsäure (Panretin-Gel, 0,1%ig, 60,0, Vertrieb Zeneus Pharma) wurde bereits 2005 zur Behandlung des AIDS- assoziierten Kaposi-Sarkoms der Haut in Europa zugelassen. Der genaue Wir- kungsmechanismus des Gels bei dieser Indikation ist unbekannt (Duvic 2000). Die Anwendung erfolgt 2-4x/d über insgesamt 12 Wochen (bei Ansprechen der Tumo- ren auch länger) und beschränkt sich auf Kaposi-Sarkome der Haut (keine Anwen- dung auf Schleimhäuten oder nichtläsionaler Haut). Wichtigste Nebenwirkung des Gels ist die lokale Reizung. Obwohl vermutlich nur geringste Mengen resorbiert werden, ist die Anwendung in Schwangerschaft und Stillzeit kontraindiziert. Literatur:
Cheng C, Michaels J, Scheinfeld N. Alitretinoin: a comprehensive review. Expert Opin Investig Drugs 2008; 17:437-43.
Cheer SM, Foster RH. Alitretinoin. Am J Clin Dermatol 2000; 1:307-14.
Duvic M, Friedman-Kien AE, Looney DJ, Miles SA et al. Topical treatment of cutaneous lesions of acquired immunodeficiency syndrome-related Kaposi sarcoma using alitretinoin gel: results of phase 1 and 2 trials. Arch Dermatol 2000; 136:1461-9.
Molin S, Ruzicka T. Alitretinoin. Die erste spezifisch zugelassene Therapie für das chronische Handekzem. Hautarzt 2008; 59:703-9.
Ruzicka T, Larsen F G, Galewicz D, Horvath A, Coenraads P J, Thestrup-Pedersen K, Ortonne J P, Zouboulis C C, Harsch M, Brown T C, Zultak M. Oral Alitetinoin (9-cis-retinoic acid) Thera-py for chronic hand dermatitis in patients refractory to standard therapy. Arch Dermatol 2004; 140:1453-9.
Ruzicka T et al. Efficacy and safety of oral alitretinoin (9-cis retinoic acid) in patients with seve-re chronic hand eczema refractory to topical corticosteroids: results of a randomized, double-blind, placebo-controlled, multicentre trial. Br J Dermatol 2008; 158:808-17.
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