Aspekte der Ernährung und Verdauung Querschnittgelähmter Informationen für Fachpersonal Department Orthopädie, Unfallchirurgie und Paraplegiologie Stiftung Orthopädische Universitätsklinik Heidelberg Inhaltsverzeichnis Einleitung . 2 1 Ernährung . 3
Empfehlungen bei spezifischen Problemen . 4
1.2.1 Übergewicht. 4 1.2.2 Untergewicht/Mangelernährung . 5 1.2.3 Blähungen. 5 1.2.4 Nahrungsmittelunverträglichkeiten . 6
Spezielle Ernährung bei Entzündungen und Wunden . 10
2 Darmmanagement. 11
Zielsetzung für das Darmmanagement . 11
2.4.1 Darmentleerungstechniken. 13 2.4.2
Stufenplan für die Interventionen zum Darmmanagement . 14
Einsatz von oralen Laxantien bei Verstopfung . 17
Einsatz von rektalen Laxantien bei Verstopfung . 18
Orale Medikamente zur Therapie der Obstipation. 18
Dieses Konzept wurde durch Veronika Geng und Claudia Hess, Manfred-Sauer-Stiftung, Beratungszentrum für Ernährung und Verdauung Querschnitt-gelähmter, entwickelt und durch Pflegende der Klinik für Paraplegiologie, Uni-versitätsklinikum Heidelberg reflektiert. Die Pflegefachpersonen waren: Dagmar Schultes, Paola Currò, Sabine Sy, Petra Schmauder. Die vorliegende Broschüre hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit und soll regelmässig überarbeitet werden. Selbstverständlich muss bei der Auswahl und Anwendung der Massnahmen immer die individuelle Situation des Betrof-fenen berücksichtigt werden. Bei den vorgeschlagenen Massnahmen ist die korrekte und sachgemässe Anwendung Voraussetzung für den Erfolg.
Einleitung Die nachfolgenden Texte sollen einen Überblick über die wichtigsten Aspekte der Ernährung und Verdauung Querschnittgelähmter bieten. Betreuungsper- sonen, im Besonderen Pflegepersonen, sollen sich daran im täglichen Um- gang mit Querschnittgelähmten, orientieren können. Der Fokus dieser Arbeit liegt auf den pflegerischen Aufgaben. Der Austausch mit Ernährunsfachkräften (Diätassistenten und Oecotrophologen) ist bei tiefer gehenden Ernährungs- problemen unbedingt erforderlich. Ernährung ist ein multiprofessionelles The- ma. Deshalb sollten weitere Berufsgruppen (Ärzte, Pflege, Ernährungsfach- kräfte, Logopäden, Ergotherapeuten usw.) eingebunden werden. Die vorliegende Broschüre ist zweigeteilt: Teil 1: Ernährung Teil 2: Darmmanagement und Verdauung. 1 Ernährung Der Begriff „Ernährung“ bedeutet im folgenden Text immer Essen und Trinken. Die hier geäußerten Empfehlungen haben eher allgemeingültigen Charakter. Deshalb gilt es, die Individualität des Betroffenen sowie Vorlieben, Bedürfnisse und Gewohnheiten auch beim Thema Ernährung zu berücksichtigen. 1.1 Energiebedarf bei Querschnittgelähmten
Derzeit gibt es keine verlässlichen Daten zum Energiebedarf bei Menschen mit Querschnittlähmung. Die Akutphase nach Eintritt einer Querschnittläh- mung ist geprägt von Stoffwechsel- und Körpermassenverschiebungen. Je nach Lähmungshöhe und Lähmungsbild ist deshalb der Bedarf an Makronähr- stoffen (Energie) unterschiedlich. Nach Eintritt der Querschnittlähmung kann der Energiebedarf aufgrund des Traumas und der Gesamtsituation des Betrof- fenen in der Akutphase durchaus erhöht sein. Die Energiezufuhr richtet sich hier tendenziell nach den Richtlinien der Intensivmedizin. Nach der Akutphase gilt, je höher und vollständiger das Lähmungsbild, desto niedriger ist der Grundumsatz und somit der Energiebedarf. Dies ist auf die fehlende Innervie- rung der Muskulatur zurückzuführen. Es gibt derzeit keine Instrumente oder Skalen bzw. Messwerte, die für Querschnittgelähmte eingesetzt werden kön- nen. Der Body Mass Index (BMI) als Orientierungsgröße oder Maßeinheit kann aufgrund der unterschiedlichen Körperzusammensetzung nicht ange- wendet werden. Der Richtwert für den Ruhe-Energieumsatz (Grundumsatz) liegt in einer Studie von A. von Laffert (2010) bei Querschnittgelähmten 13- 21% tiefer als bei Nichtgelähmten. Diese Werte werden in amerikanischen Studien bestätigt. Daher ist die individuelle Beratung durch eine Ernährungs- fachperson und eine regelmäßige Gewichtskontrolle zwingend. Von Laffert, A. (2010) Ruheumsatz und Zusammenhang mit dem Ernährungs- und Bewegungsverhalten bei Querschnittgelähmten - Diplomarbeit -
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1.2 Empfehlungen bei spezifischen Problemen
1.2.1 Übergewicht Querschnittgelähmte neigen aufgrund ihrer Immobilität oft zu Übergewicht. Dies kann zu noch stärkerer Immobilität führen, die Selbständigkeit wird redu- ziert und das Dekubitusrisiko nimmt zu, da die Entlastung seltener stattfindet oder die Seitenlehne des zu engen Rollstuhls Druckstellen verursachen kön- nen. Ist eine Gewichtsabnahme nötig, sollte diese aufgrund der vielfältigen persön- lichen Bedingungen (Essgewohnheiten, Bewegung, Mahlzeitenrhythmus, psy- chische Komponenten) durch persönliche Betreuung einer Ernährungsfach- kraft unterstützt werden. Eine Gewichtsabnahme kann allerdings aufgrund ei- ner Erkrankung kontraindiziert sein z.B. im Falle großflächiger Wunden. Trotz des Übergewichts kann ein erhöhter Nährstoffbedarf (Makro- oder Mikronähr- stoffe) vorliegen. Wenn der Wunsch einer Gewichtsabnahme von Seiten des Patienten besteht, sollte die professionelle Begleitung in der Klinik in Anspruch genommen und für die Fortsetzung der Maßnahmen im häuslichen Umfeld ebenfalls qualifi- zierte Unterstützung organisiert werden. Ziele:
krankheitsentsprechende bzw. gesundheitsfördernde
Maßnahmen:
Nährstoffbedarf = Blutanalyse (Elektrolyte, Eisen, Zink)
1.2.2 Untergewicht/Mangelernährung Auch Untergewicht ist bei Querschnittgelähmten ein häufiges Symptom. Bei Verdacht auf oder bei vorhandenem Untergewicht gilt es als erstes, eine gute Ursachenforschung zu betreiben, z. B. mangelnder Appetit aufgrund Medika- mentennebenwirkung. Bei Verdacht auf Untergewicht sollte - aufgrund der feh- lenden Verlässlichkeit des BMI als Messgröße - eine engmaschige Gewichts- kontrolle erfolgen. Achtung: Neben dem Untergewicht spielt auch die Mangel- ernährung eine Rolle. D.h. ein Normalgewichtiger kann durchaus mangeler- nährt sein, weil ihm die Mikronährstoffe (Elektrolyte, Eisen, Zink) fehlen. Ziele:
Prävention von Mangelernährung bzw. Aufrechterhaltung des notwendi-
gen Energiebedarfs bezogen auf die Mikronährstoffe
Maßnahmen:
Fachkräfte (Ernährungsfachkräfte, Medizin, Ergothe-
Nutzung von Hilfsmitteln zur Nahrungsaufnahme (Essbesteck, Trinkhil-
Tageskalorienzahl, z.B. mit hochkalorischer Trinknahrung
Erhebung spezieller Bedürfnisse des/der Betroffenen
Kontrolle der Mikronährstoffe, evtl. auch Kontrolle der Blutwerte
1.2.3 Blähungen In diesem Kapitel werden lediglich ernährungsbedingte Blähungen angespro- chen und nicht Blähungen, die aufgrund einer medikamentösen Therapie oder durch das Darmmanagement (stehende Stuhlsäule/Obstipation) verursacht oder verstärkt werden. Ziele:
- Blähungsreduktion bis Beschwerdefreiheit
Maßnahmen:
(z.B. kohlensäurehaltige Getränke, Kohlgerichte, frittierte Speisen) - Berücksichtigung möglicher Lebensmittelunverträglichkeiten
und -intoleranzen, evtl. diagnostische Abklärung
- Konzept der leichten Vollkost bzw. Basisdiät - Rücksprache mit Ärzten, medikamentöse Unterstützung
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anpassen wie Essgeschwindigkeit, Schluckverhalten
(Luft schlucken, Trinkhalmnutzung reduzieren, unterstützende Ess- und Trinkhilfen einsetzen, evtl. Kontaktaufnahme mit Logopädie/Ergo-therapie)
- evtl. Einsatz von Fenchelsamen vor oder nach dem Essen (Beginn mit
ca. 10-15 Samenkörnern). Diese zerkauen und schlucken. Die Menge kann bis zu ½ Teelöffel/Tag ausgedehnt werden
Nachfolgend findet sich eine Liste, welche Lebensmittel Blähungen verursa-chen können. Hierzu ist anzumerken, dass auch die Zubereitung eine wesent-liche Rolle spielen kann.
- Zwiebel, Lauch, Knoblauch - Sellerie - Paprikagemüse - Salatgurke - Pilze (Ausnahme Champignon) - Rosenkohl, Rotkohl, Weißkohl - Erbsen, Linsen, grüne Bohnen - „schwer verdauliche“ Hülsenfrüchte (weiße Bohnen/Kidneybohnen) - Steinobst
- Fertigprodukte z.B. Suppen, Soßen - kohlensäurehaltige
1.2.4 Nahrungsmittelunverträglichkeiten
Immer mehr Menschen sind von Nahrungsmittelunverträglichkeiten betroffen. Lactose (Milchzucker), Fructose (Fruchtzucker), Sorbit (Sorbitol) und Histamin sind Nahrungsmittel, die zu wiederkehrenden Darmproblemen führen können, oft zu Durchfall und Blähungen. Der Schweregrad ist individuell sehr unter- schiedlich. Die Diagnose der Intoleranz wird durch spezifische Atemtests oder durch Provokationstests festgestellt. Die individuelle Nahrungsmittelverträg- lichkeit muss selbst herausgefunden werden. Lactoseintoleranz Lactose ist ein natürlicher Bestandteil der Milch. Auch in Joghurt, Buttermilch, Quark, Kefir oder diversen Käsesorten ist Lactose vorhanden. Lactose kann auch als Zusatzstoff in Desserts, Nuss-Nougat-Cremes, Backwaren, Süßig- keiten, Instantsuppen und -soßen, Pizza, Kartoffelpüreepulver und Wurst zu- gesetzt sein. In der Zutatenliste versteckt er sich unter Molkepulver, Mager- milchpulver, Molkeerzeugnisse oder einfach Milchpulver. Lactose wird häufig als Trägersubstanz für Aromen oder als Emulgator beispielsweise in der Wurst eingesetzt und braucht in diesem Fall nicht deklariert zu werden. Auch zahlreiche Medikamente enthalten als Trägerstoff Lactose. Das ist auf dem Beipackzettel erwähnt. Fructoseintoleranz Fructose ist vorrangig im Obst, Honig und Gemüse enthalten. Sie kommt auch als „Verbindung“ in Lebensmittel vor, z.B. im üblichen Haushaltszucker, sowie im Rohr- und Rübenzucker, dem Sorbit und dem Inulin. Sorbit wird gern als Zuckeraustauschstoff (Süßstoff) vor allem bei Diabetikerprodukten verwendet. Inulin zählt zu den Ballaststoffen und somit zu den präbiotischen Nahrungser- gänzungsmitteln. Es kommt unter anderem in Artischocken, Pastinaken oder Zichorien vor. 1.3 Einsatz von „Functional Food“
1.3.1 Prä- und Probiotika Präbiotika sind Lebensmittelbestandteile, die nicht oder nur teilweise verdau- lich sind, die sich aber auf den Menschen gesundheitlich günstig auswirken, indem sie aktiv das Wachstum und/oder die Aktivität bestimmter Bakterien im Darm fördern. Präbiotika kommen vermehrt in ballaststoffreichen Lebensmit- teln vor. Probiotika sind Lebensmittel, die lebende Mikroorganismen enthalten, die die Magenpassage überleben und die Darmflora somit passiv unterstützen kön- nen. Probiotika kommen meist in Form von Bifidobakterien und Laktobazillen in milchsauer vergorenen Lebensmitteln vor (Joghurt, Buttermilch). Eine Ein- nahme kann besonders während einer Antibiotikumstherapie für die Darmflora von Nutzen sein. Die Einnahme der Probiotika baut keinen präventiven Effekt auf, d.h. die Wirkung ist solange gegeben, wie man das Produkt einnimmt. Mit Absetzen des Probiotikas lässt die Wirkung wieder nach. D.h. es entwickelt sich kein langanhaltender Effekt. Ziele:
Maßnahmen:
regelmäßige Einnahme dieser Produkte kann bei guter Verträglichkeit
Achtung: Die meisten Produkte haben einen hohen Zuckeranteil
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1.3.2 Nahrungsfasern/Ballaststoffe Ballaststoffe werden auch Nahrungsfasern, Pflanzenfasern oder Rohfasern genannt. Sie sind Nahrungsbestandteile, die der menschliche Körper nicht verdauen kann, weshalb sie ihm keine Energie liefern. Trotzdem sollten sie zu jeder Mahlzeit gehören, weil sie zahlreiche positive Auswirkungen auf die Ver- dauung und die Gesundheit des menschlichen Körpers haben und ihn vor dem Auftreten verschiedener Krankheiten schützen. Generell hilft eine ausreichende Ballaststoffmenge für eine bessere Verdau- ung. Die Nahrungsfasern führen im Darm dazu, dass Wasser gebunden und so die Konsistenz des Stuhls positiv beeinflusst wird. Aufgrund der erhöhten Stuhlmenge wird die Peristaltik im Dickdarm angeregt und der Stuhl besser transportiert. Eine gute, idealer weise wurstförmige Konsistenz führt dazu, dass der Stuhl auch besser ausgeschieden werden kann. Die Werte für eine ausreichende Menge an Nahrungsfasern variieren zwi- schen
• BRD/CH = Erwachsene mind. 30g Nahrungsfasern/Tag (SGE 2006) • USA = Frauen 25g Nahrungsfasern/Tag Männer 38g Nahrungsfa-
sern/Tag oder 14g /1000 kcal (Am Diet. Assoc.)
Bei der Zufuhr von Ballaststoffen ist wichtig, dass die Flüssigkeitsmenge, die aufgenommen wird, entsprechend hoch ist, da sonst die Ballaststoffe kontra-produktiv sein können. Generell sollte die Menge der Ballaststoffe in den Me-nüplan eingebaut und nicht als Nahrungsergänzung zugeführt werden. Bei Steigerung der Ballaststoffmenge, schrittweise vorgehen, so dass sich der Verdauungstrakt an die Ballaststoffe gewöhnen kann! Anfängliche Blähungen nehmen mit zunehmender Gewöhnung an die Ballaststoffe, ab. Die Ballaststoffe werden in 2 Gruppen eingeteilt. Die löslichen und die unlösli-chen Ballaststoffe.
Nichtlösliche Ballaststoffe Lösliche Ballaststoffe
- Karotten - Zuckerrüben - Hülsenfrüchte - Hafer - Gerste - Roggen - Reis
Nichtlösliche Ballaststoffe Lösliche Ballaststoffe Ballaststoff-
- Inulin/Zichorienwurzel) - Agar-Agar (Seetang) - Karragheen (Seetang) - Betaclukane (Ha-
Eigenschaften
alen Blutzucker- und Insu-linanstiegs (Vermeidung von Heisshungerattacken)
Tab. 2: Ballaststoffarten (In Anlehnung an Huth K., Burkhard M.: Ballaststoffe, 2004 WVG Verlag, S.8)
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1.4 Spezielle Ernährung bei Entzündungen und Wunden (z.B. Dekubitus)
Eine Heilung von Entzündungen und Wunden nur durch die Ernährung zu ge- währleisten, ist schwierig. Ernährung hat eher eine unterstützende Funktion. Ziele: Wundheilungsfördernde und entzündungshemmende (antiinflammatorische) Ernährung gewährleisten. Maßnahmen:
vitaminreiche und immunmodulierende Ernährung
Fettprofil ändern (besser mehrfach ungesättigte Fettsäure z.B. Leinöl)
Einbeziehung der Ernährungsfachkräfte ist in diesem Zusammenhang
Einführung einer sogenannten „Dekukost“, d.h. spezielle Kost zur Unter-
Darmmanagement
Die Querschnittlähmung beeinflusst viele körperliche Prozesse, so auch die Verdauung. Hierbei gilt es herauszufinden, was bezogen auf die Verdauung bei einer Querschnittlähmung als normal zu bezeichnen ist.
2.1 Normale Stuhlgewohnheit Die normalen Darmentleerungsgewohnheiten in der Bevölkerung belaufen sich auf 2-3 Stuhlentleerungen pro Tag bis hin zu 3 Stuhlentleerungen pro Woche. In diesem Bereich sollte sich auch die Darmentleerung bei Quer- schnittgelähmten bewegen. Da aber aufgrund der neurogenen Darmfunktions- störung ein Risiko für Obstipation besteht, sollten die Entleerungsintervalle beim Querschnittgelähmten nicht zu lange auseinander liegen und in einem geregelten Rhythmus stattfinden. 2.1.1 Zielsetzung für das Darmmanagement
- Erreichen oder Erhalten einer Kontinenz - Zeitdauer für das Abführprocedere – max. 60 Min. - Abführen bei Paraplegikern in sitzender Position (Toilette, Duschstuhl)
o bei Tetraplegikern – situationsabhängig
- so wenig Abführmittel wie nötig einsetzen - wenn
Abführmitteleinsatz, dann für den Langzeiteinsatz geeignete,
nach dem Grundprinzip so wenig wie möglich, so viel wie nötig
- Ernährung, die das Abführen/das Darmmangement erleichtert, ist zu be-
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2.2 Veränderungen der Innervation bei kompletter Quer- schnittlähmung Läsion des oberen motorischen Läsion des unteren motorischen Neurons (d.h. oberhalb Th11) Neurons ( d.h. unterhalb L1) Pathophysiologie Klinische Symptome
veränderte oder fehlende perianale Empfindung
angestrebter Stuhlentleerungsrhythmus
Tab. 3: Gegenüberstellung der Störungen und Symptome bei Lower and Upper Motor Neuron Lesion
2.3 Pflegerische Diagnostik Mittels pflegerischer Diagnostik lässt sich die Tonussituation des Enddarms und des Beckenbodens herauszufinden. Dies geht meist mit der Lähmungs- höhe und der Vollständigkeit der Lähmung einher. Eine Schädigung oberhalb TH 11 hat eher einen spastischen und eine Schädigung unterhalb Th 11 eher einen schlaffen Sphinkter zur Folge. Das kann jedoch individuell variieren. Zwei Aspekte, die für die Beurteilung der Interventionen zum Darmmanage- ment relevant sind: 2.3.1 Die Stuhlmenge Die Stuhlmenge wird in Patientenhänden gemessen, d.h. die Menge, welche in die hohle Hand des Patienten passt. In der Regel wird dann von einem Strich gesprochen. Da diese Einschätzung sehr subjektiv ist, wird der Patient selbst in diese Einschätzung einbezogen. So kann bei wechselndem Personal eine Kontinuität hergestellt werden. 2.3.2 Die Stuhlkonsistenz Die Stuhlkonsistenz richtet sich idealerweise nach einer einheitlichen Bennen- nung. Nachfolgend eine Einteilung angelehnt an die Bristol Stool Scale® Typ Beschreibung Stuhltransport ideal Wurstförmig – weich schneller
Tab.4: Schema Stuhlkonsistenz Fotos: http://impactednurse.com/pics4/poo_scale.gif 2.3.3 Weitere Beobachtungskriterien Im Rahmen der Stuhlentleerung und speziell beim digitalen stimulieren oder Ausräumen, können Probleme erkannt werden:
- Blut- oder Schleimauflage beim Stuhl - Blut am Finger beim Stimulieren/Ausräumen - Hämorrhoiden oder Prolaps – oft ertastbar
2.4 Interventionen
Nachfolgend werden die verschiedenen Ausprägungen des „gelähmten Darms“ aufgelistet und die dazugehörigen Interventionen zum Abführen und zum Darmmanagement zugeordnet. Die Interventionen sind teilweise Einzel- maßnahmen oder werden auch in Kombination angewendet, immer unter Be- rücksichtigung der individuellen Patientensituation. 2.4.1 Darmentleerungstechniken Es existieren verschiedene Techniken, wie der Darm entleert werden kann. Spontane Darmentleerung
- Digitale Stimulation - Stimulation durch Zäpfchen / Miniklistier / Klistier - Digitale
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- Analstretching (bei spastischem Sphinkter) - Colonmassage
Dazu kommen verschiedene Kombinationen der Techniken und unterstützen- de Maßnahmen. Diese reichen von der sitzenden, entspannten Körperpositi- on, bis hin zu speziellen Nahrungsergänzungsmitteln, aber auch die Verdau- ungszigarette oder der Kaffee auf nüchternen Magen werden als hilfreich be- schrieben. Als spezielles Merkmal seien hier auch die sogenannten Körperer- satzzeichen erwähnt, die von Patient zu Patient variieren können und bei vol- ler Ampulle oder bei Beendigung der Darmentleerung auftreten können. Die Körperersatzzeichen können in Form von Flimmern vor den Augen, speziellen Hautrötungen, Gänsehaut, Schwitzen oder auch erhöhtem Blutdruck auftreten. 2.4.2 Stufenplan für die Interventionen zum Darmmanagement Intervention 1.
Spontanes Abführen – d.h. durch Ernährung und Flüssigkeitszufuhr kann ein gutes Darmmanagement erreicht werden.
2.a Abführen mit rektalen Stimulantien (Zäpfchen, Klistier, Klysma) ohne
Einnahme von oralen Laxantien, digitales Ausräumen des Enddarms, Er-nährung und Flüssigkeitszufuhr werden berücksichtigt.
2.b Abführen mittels Irrigation ohne Laxantien. 3.a Abführen mit rektalen Stimulantien (Zäpfchen, Klistier, Klysma) mit Ein-
nahme von oralen, langzeitverträglichen Laxantien, evtl. digitales Aus-räumen des Enddarms. Ernährung und Flüssigkeitszufuhr werden be-rücksichtigt.
4. Abführen mittels Irrigation in Kombination mit Einnahme von oralen,
Tab. 5: Stufenplan für die Interventionen zum Darmmanagement Optionen für kurzfristiges Handeln (Akutphase, Postakutphase)
- Einsatz von oralen Laxantien aus der Gruppe der Drastika, Stimulantien
oder Irritantien (Achtung – nur kurzfristige Anwendung, 1-2 Wochen)
- Einsatz von Medikamenten zur Anregung der Peristaltik (Domperidon®,
Motilium® etc.) kann angezeigt sein jedoch nur aufgrund ärztlicher Ver-ordnung.
2.4.3 Begleitende Interventionen Die nachfolgenden Interventionen sind bei allen Formen der Darmlähmung als Begleitmaßnahmen notwendig: Flüssigkeitskontrolle Die Flüssigkeit hat einen wesentlichen Einfluss auf die Konsistenz des Stuhl- gangs. Sie wiederum beeinflusst die Peristaltik und den Stuhltransport. Die ideale Stuhlkonsistenz ist wurstförmig. Die empfohlene Ausscheidungs- menge in Anlehnung an die Empfehlung der Neurourologen beträgt 1500 ml/24 h. Ernährungskontrolle Die Ernährungskontrolle ist bei allen Verdauungsproblemen wichtig. Sowohl die Art der Nahrung, die Menge, die Zusammensetzung bis hin zur Zuberei- tung können einen Einfluss auf die Verdauung und somit auf das Abführen bzw. das Darmmanagement haben. Wesentlichen Einfluss auf die Verdauung haben die regelmäßige Nahrungszufuhr, die Vielseitigkeit und die Zusammen- setzung der Nahrung, der Anteil an Nahrungsfasern in den Lebensmittel, ab- führende Lebensmittel, aber auch Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Bewegung Die Bewegung im Rollstuhl hat gerade beim Querschnittgelähmten einen Ein- fluss auf die Transitzeit d.h. den Stuhltransport. Daher muss bei Veränderun- gen der Stuhlentleerung auch immer die Bewegungsart und -häufigkeit fest- gestellt werden. Vojta Therapie, Yoga sowie physiotherapeutische Maßnah- men können die Darmfunktion beeinflussen. 2.4.4 Obstipation (Verstopfung) Die Problemerfassung entscheidet über die Maßnahmen, die zum Einsatz kommen. Die Einflussgrößen der Ernährung im Hinblick auf die Obstipation liegen hier besonders auf dem Fokus der Ballaststoffe (Nahrungsfasern). Generelles Ziel Generelle Maßnahmen bei Obstipation
- Ballaststoffe einsetzen (auf langsame Steigerung
Vollkornbrot bei Sondennahrung – faserreiche
- Einbeziehung von Fachkräften (z.B. Diätassis-
- physiotherapeutische Maßnahmen (Colonmas-
sage, gezielte Bewegungs- bzw. Dehnungs-übungen)
- Abklärung, ob die Mobilität erhöht werden kann,
um die Peristaltik des Dickdarms anzuregen
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2.4.5 Interventionen bei Obstipation Ziele bei der Behandlung der Interventionen, um diese Ziele zu er- Obstipation aufgrund einer Aus- lassproblematik (Outletconstipati- on) - rektalen Druck erhöhen, um den
- digitale Sphinkterdilatation oder digi-
Im Rahmen der Slow Transit Constipation ist speziell die paradoxe Diarrhoe zu erwähnen. Dies bedeutet, dass Durchfall oder dünner Stuhl besteht, obwohl eigentlich eine Verstopfung vorliegt. Dies kann auch einhergehen mit dem Begriff der Überlaufinkontinenz. Ziele bei der Behandlung der Obsti- Interventionen, um diese Ziele zu pation aufgrund verlangsamter erreichen Transitzeit (Slow Transit Constipa- tion) - Peristaltik anregen durch Volumener-
Verbindung mit ausreichend Flüssig-keit
z.B. Prokinetikum, Parasympatho-mimetikum)
- Kontrolle der Einflussfaktoren auf die
Ziele bei der Behandlung der Interventionen um diese Ziele zu er- Obstipation aufgrund eines me- chanischen Passagehindernis z.B. Koprostase (Kotstau) - mechanisches Passagehindernis
2.4.6 Interventionen bei Inkontinenz Generelles Ziel Generelle Maßnahmen bei Inkontinenz
- Stuhltagebuch, Aktivitätenprotokoll führen
- Ernährungs- und Flüssigkeitsprotokoll führen
bestimmten Aktivitä-ten/Ereignisse folgen
- Rhythmus für Darmentleerungen herausfinden
- orale Laxantien (Quell-/Fasermittel, osmotisch ak-
- rektale Stimulantien (Co2-Laxans, Klistier, Irrigati-
- digitales Ausräumen des Stuhls, evtl. mehrmals
2.4.7 Einsatz von oralen Laxantien bei Verstopfung* Stufe 1 Natürliche Produkte - Flohsamen Synthetische Produkte - Optifiber (lösliche Bal- Wirkungsweise Nebenwirkungen
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2.4.8 Einsatz von rektalen Laxantien bei Verstopfung* Stufe 1
Es sind verschiedene Hilfsmittel zur Unterstützung oder Durchführung der Darmentleerung erhältlich. Diese reichen von Inkontinenzhilfsmitteln z.B. Anal- tampon, Fäkalkollektor über Toilettenstühle und spezielle WC Adaptionen bis hin zu Zäpfchensteckhilfen oder Toilettenpapierzange. Grundsatz sollte aber immer sein: „So wenig wie möglich, so viel wie nötig“. 2.6 Dokumentation
Nur durch eine zuverlässige und kontinuierliche Dokumentation ist die Rege- lung des Darmmanagements möglich. Insbesondere im Klinikbetrieb kommt der Dokumentation im Sinne der Erfolgskontrolle eine wesentliche Bedeutung zu. Folgende Aspekte sollen dokumentiert werden: Ernährung
- Entleerungsrhythmus - Konsistenz - Menge - Uhrzeit/Dauer - Abführtechnik
- unterstützende Maßnahmen während des Abführens - Dysreflexie während des Abführens
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From the Department of EmergencyMedicine, Traumatology, andRehabilitation, Hartford Hospital, Research Article Hartford, Connecticut, and theDepartment of Physical Medicine andRehabilitation, Hospital for SpecialCare, New Britain, Connecticut. Early Polyneuropharmacologic Data System for MedicalRehabilitation, a division of UB Intervention in Brain Injury Agitation ABSTRACT reprints s