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Polypharmazie im Alter – Update vom 16.6.09 (JH)
1. Allgemeines
Ein Grossteil der Interaktionen beruht auf Cytochrom P450-Interaktionen. Von seinen Isoenzymen ist
CYP3A4 das wichtigste. CYP2D6 spielt für den Abbau von Psychopharmaka eine wichtige Rolle.
Beim Arzneimittelmetabolismus spielt auch das P-Glykoprotein eine Rolle (Multidrug Resistance Gene
Product 1 oder MDR1). MDR1 ist ein Ausscheidungssystem (wird u.a. durch Johanniskraut induziert).
Spezielle Website zu CYP450: www.kardiolab.ch/CYP450_2JSI.html
Website für Interaktionen generell, mit separatem Kapitel für Senioren:
www.drugdigest.org/wps/portal/ddigest (unter Registerkarte „Check Interactions“)
2. Einzelne Medikamente, Krankheitsbilder und Themen

Hypercholesterinämie

• Nicht-Statin-Medikamente meiden. Statine bei St. n. Ereignis gut, ohne Ereignis Evidenz eher nicht geben. Im Alter eher Crestor® und Pravastatin geben (nicht über Zytochrom P 450 metabolisiert). Bei limitierenden Co-Morbiditäten (z.B. Aortenstenose) zögerlich einsetzen Männliche Patienten mit St. n. hämorrhagischen Insult hatten unter Statinen häufiger Blutungen. • Ezeterol: eher nicht absetzen, macht wenig Nebenwirkungen • Statine im hohen Alter als Prävention hinterfragen. 150 Patienten müssen 1 Jahr Statine einnehmen, um ein relevantes Ereignis zu verhindern. Für Stroke-Prävention kein Nutzen. Für generelle Morbidität kein Nutzen. NNT (Number Needed to Treat) mit sehr kleiner Aussagekraft (es spielen zu viele andere schwere Krankheiten für z.B. Endpunkte mit). Diabetes mellitus
• Die Absenkung des HbA1c unter 8% bei älteren Menschen mit länger bestehendem Diabetes II, bereits bestehenden diabetischen Komplikationen oder mit einer Kombination mehrerer Antidiabetika, einschliesslich Insulin, kann nicht empfohlen werden (Arznei-Telegramm 2009). Es ist aber keineswegs gezeigt worden, dass es für das Auftreten von makrovaskulären Komplikationen bedeutungslos ist, wie gut der Diabetes eingestellt ist. In Frage gestellt wurde für diese Altersgruppe lediglich das Credo „unter 7 oder so tief wie möglich“.
Herzinsuffizienz

• Echokardiografie auch im Alter sinnvoll: Herzinsuffizienz mit erhaltener linksventrikulärer • Therapie: Hypertonie behandeln, Diuretika, evtl. Sartane oder ACE-Hemmer. ACE-Hermmer werden bei 2 Tagesdosen besser toleriert (Brunner, Basel). • Wenn Betablocker, dann am besten Nebilet®
ACE-Hemmer und A2Antagonisten

• Kombination ungeeignet in der Geriatrie (Conzelmann, 2008) • Hypo-Kaliämie, verstärkt in Kombination mit ACE-Hemmern und NSAID Beta-Blocker im Alter
• vermehrt Hypotonie, vermehrt Schwindel
Frequenzkontrolle
(wenn überhaupt)
• Im Alter Nebilet® als erste Wahl, Digoxin fraglich, Cordarone® weglassen (Goerre, Olten) • Atenolol: ersetzen durch Nebilet® oder Carvedilol • Antianginosa: im Alter hinterfragen (Goerre, Olten) • Cave: Digoxinspiegelerhöhung durch Makrolide (Clarithro- und Erythromycin) (MDR1-
Thiazide

• Hypo-Kaliämie, aber auch Hypo-Natriämie (besonders bei Kombination mit SSRI, ACE- Kardiologie/Gefässe
• Invasive Abklärungen lohnen sich häufig auch bei Hochbetagten, besonders bei Aortenstenose, aber auch bei KHK (Brunner, Basel). • Aufpassen bei Plavix® und PPI’s. Die Wirkung von Plavix® ist eventuell reduziert. Eine
ASS und NSAID

• Ibuprofen und wahrscheinlich auch alle anderen NSAID vermindern die Wirksamkeit von ASS. Möglicher Ausweg: Ibuprofen frühestens 2 Std. nach ASS geben oder spätestens 8 Std. vor der nächsten ASS-Gabe. (Bei magensaftresistenter Formulierung [enteric-coated] auch nicht möglich. ASS ist ein irreversibler, Ibuprofen ein reversibler Cyclooxygenasehemmer). Das gilt wahrscheinlich auch generell für Antirheumatika. Patienten mit ASS sollten andere Analgetika bekommen.
COX-2-Hemmer

• Bei der Beurteilung des kardiovaskulären Risikos wird nicht mehr zwischen klassischen nicht- steroidalen Antirheumatika und COX-2-Hemmern unterschieden. Die COX-2-Selektivität sagt nichts über das kardiovaskuläre Risiko einer Substanz aus (Brunner, Basel).
Schmerzmedikation

• Vor 10-15 Jahren wäre es niemandem in den Sinn gekommen, Paracetamol grammweise zu verordnen. Die Wirkungszunahme von 500 auf 1000 mg ist gering. Die Unsitte sollte wieder gestoppt werden (sie kam auf wegen der zunehmenden Angst vor den NSAID). • Unter Alkoholkonsum kann es schon bei therapeutischen Dosen von Paracetamol zu Leberintoxikationen durch den toxischen Metaboliten kommen (CYP2E1, welches Paracetamol abbaut, wird durch Alkohol induziert). • Novalgin® ist ambivalent zu beurteilen: Vorsicht ist am Platz, auch wenn die Blutbild-
Schlafmittel

• Sollen keine anticholinergen Substanzen sein. Möglich sind Trittico® 25-50 mg, Distraneurin® 3-4 x 300 oder Nervifene® (Chloralhydrat).
Antidepressiva:

• SSRI und Tramadol: Gefahr von serotonergem Syndrom (max. 200 mg Tramadol geben) • Antidepressiva, besonders Remeron® und SSRI, sind erst ab 18 Jahren zugelassen. Generell sehr aufpassen bei jungen Patienten mit Antidepressiva wegen erhöhter Suizidalität (nicht nur mit Paroxetin) (Gysling, SGIM).
Neuroleptika
• Konventionelle und vor allem atypische Neuroleptika erhöhen die kardiovaskuläre Mortalität besonders bei betagten Patienten und das schon bei relativ tiefen Dosen (z.B. 3.5 mg Haldol® pro Tag bei geriatrischen Patienten). Pro und Contra vorsichtig abwägen (Gysling, SGIM). • Unter Clozapin deuten Verschlechterung mit Verwirrung, Somnolenz und Reizbarkeit auf eine Spiegelerhöhung hin (z.B. bei Rauchstopp, Ciprofloxacin-Medikation, bei Harnwegsinfekt). Auch eine Verlängerung der QT-Strecke kann vorkommen (wie bei dem aus dem Handel gezogenen Melleril® und eventuell allen Neuroleptika).

Source: http://www.lumed.ch/downloads/PDF/Update_Polypharmazie_im_Alter_V3.pdf

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