Raucherentwöhnung 11.1 Krankheitsbild
Krebs (Lunge, Kehlkopf, Mundhöhle und Ra-
chen, Speiseröhre, Pankreas, Harnblase, Uterus
Epidemiologie. Das Tabakrauchen ist eine der am
meisten verbreiteten Verhaltensstörungen auf der
Erde. In Deutschland rauchten nach Angaben der
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung im
Jahr 2000 ca. 20 Millionen Menschen, hierunter 26%
Auch zahlreiche andere Erkrankungen werden
der 12–17-Jährigen in West- und 34% in Ost-
durch Rauchen negativ beeinflusst. So haben Rau-
deutschland. In der Altersgruppe der 18–25-Jähri-
cher z.B. ein vierfach erhöhtes Risiko, als Folge ei-
gen betrugen die Anteile 49% bzw. 56%. Eine Ursa-
ner Makuladegeneration zu erblinden. Im statisti-
che hierfür ist, dass Jugendliche in besonderem
schen Mittel verlieren Raucher acht Jahre ihres
Maße von der Tabakindustrie beworben werden.
Lebens. Das von der Tabakwerbung gerne sugge-
Der Anteil der abhängigen Raucher wird mit 25–60%
rierte Bild des Rauchers, der kürzer, aber dafür ge-
unterschiedlich angegeben; die ICD-10-Kriterien für
nussvoller und intensiver lebt, ist falsch. Raucher
Suchterkrankungen wurden für psychotrope Subs-
sterben nicht nur früher, sie erkranken auch früher
tanzen entwickelt und können nicht ohne weiteres
an Krebs oder koronarer Herzkrankheit. Es sind
auf die Nicotinabhängigkeit übertragen werden.
also letztlich doch die aktiven und gesunden Jahre,
28Insgesamt ist mit 11–15 Millionen abhängigen Rau-
Da insbesondere jüngere Raucher mit Hinweisen
auf die langfristigen Folgen des Rauchens alleine
schwer zu erreichen sind, hier noch einige Hinwei-
se zu kurzfristigen Folgen des Nicotinkonsums:
Zunehmend sterben junge Raucher, die ihre Fami-
Kurzatmigkeit und Verstärkung von Asthma,
lien unversorgt zurücklassen. Je nach Schätzung
kommt es in Deutschland jährlich zu 100.000 bis
143.000 Toten durch den Tabakkonsum, dies sind
Potenzstörungen und Unfruchtbarkeit.
täglich bis zu 392 Tote. Den Einnahmen durch die
Tabaksteuer von jährlich 12 Milliarden Euro ste-
Raucher, die vor dem 35. Lebensjahr abstinent wer-
hen Ausgaben von 19 Milliarden Euro durch direk-
den, erreichen langfristig wieder den gleichen ge-
te und indirekte Krankheitskosten gegenüber.
sundheitlichen Status und die gleiche Lebenser-
Tabakbedingte Gesundheitsschäden. Im Tabak-
rauch sind neben Nicotin noch etwa 4000 weitere
Inhaltsstoffe bekannt, hierunter alleine 40 krebser-
Passivrauchen. Die gesundheitlichen Gefahren
regende Substanzen, wie z.B. Benzol, Formaldehyd,
durch Passivrauchen, insbesondere eine Erhöhung
Kohlenmonoxid (CO), Cadmium und Blei. Als wich-
des Lungenkrebsrisikos, sind inzwischen klar be-
tigste Folgeerkrankungen sind zu nennen (Batra u.
legt. Kinder, in deren Gegenwart regelmäßig ge-
raucht wird, leiden häufiger an Atemwegserkran-
48 Herzinfarkt, Herzinsuffizienz, Schlaganfall und kungen. Neugeborene rauchender Mütter haben
49 periphere arterielle Verschlusskrankheit,
ein niedrigeres Geburtsgewicht und ein höheres
Köllner/Broda,Praktische Verhaltsmedizin (ISBN3131321512)2005 Georg Thieme Verlag KG
11.2 Phantasien des
schon erfolglos versucht hat, das Rauchen ein-
Tabakkonsumenten über
trotz bereits eingetretener Folgeschäden weiter
sein Verhalten
Obwohl inzwischen auf jeder Packung steht, wie
Wenn Tabakabhängigkeit besteht, so benötigen
schädlich Rauchen ist, wird seine krank machende
die Betroffenen spezielle Hilfen bei einem Absti-
Bedeutung von den einzelnen Patienten über eine
nenzversuch, da sonst die Erfolgsaussichten im
meist lange Zeit verdrängt. Hierbei spielen dys-
Vergleich zu nicht abhängigen Rauchern deutlich
funktionale Kognitionen, gezielte Desinformation
reduziert sind. Das international anerkannteste
durch die Tabakwerbung und auch das negative
und zugleich gut praktikable Instrument zur Fest-
Beispiel rauchender Ärztinnen und Ärzte eine be-
stellung von Tabakabhängigkeit ist der Fager-
deutende Rolle. Beispiele für dysfunktionale Kog-
ström-Test (Abb. 11.1; Heatherton et al. 1991).
14 „Wenn ich ‚light’ oder Filterzigaretten rauche, Änderungsmotivation. Das in Kap. 1 ausführlich
beschriebene Stadienmodell von Prochaska und
16 „Ich fühle mich doch gut, also macht mir das DiClemente (1986) hat bei der Raucherentwöh-
nung einen besonders hohen Stellenwert. Um ab-
18 „Ich kenne einen Raucher, der 90 Jahre alt ge- schätzen zu können, welche Art der Intervention
19 worden ist, also kann an dem ganzen Gerede sinnvoll ist, muss erfragt werden in welchem der
20 über die Gefahr des Rauchens nicht so viel dran folgenden Stadien der Patient sich gerade befin-
22 „Ich sterbe lieber früher und habe dafür mehr 1. Stadium des stabilen Rauchens. Der Raucher
denkt nicht daran, in den nächsten sechs
24 „Vielleicht habe ich ja Glück und es erwischt
Monaten das Rauchen aufzugeben („Ich rauche
26 „Wenn Rauchen wirklich so gefährlich wäre, 2. Stadium des dissonanten (= absichtsvollen)
27 würden nicht so viele Ärzte rauchen.“
Rauchens. Der Raucher will in den nächsten
sechs Monaten mit dem Rauchen aufhören.
3. Stadium der Vorbereitung. Der Raucher plant
bewusst, in den nächsten Wochen rauchfrei zu
11.3 Stadieneinteilung
4. Stadium der Aktion. Es erstreckt sich vom
Therapeutisch relevant sind hier die Unterschei-
Rauchstopp bis zu sechs Monate danach.
dung zwischen süchtigen und nicht süchtigen
5. Stadium des stabilen Nichtrauchens. Es
Rauchern sowie die Abschätzung der Motivation,
und hält so lange an, bis das Nichtrauchen
Tabakabhängigkeit. Abhängigkeit entsteht so-
wohl psychisch („Macht der Gewohnheit“) als auch
Angebote der Unterstützung beim Nicotinverzicht
körperlich, durch Nicotin, das eine Substanz mit
haben frühestens im Stadium des dissonanten
hohem Abhängigkeitspotential ist. Dies erklärt
Rauchens eine Aussicht auf Erfolg, während im
auch die Bedeutung der in den USA laufenden Pro-
Stadium des stabilen Rauchens zunächst eine Än-
zesse, in denen der Tabakindustrie vorgeworfen
derungsmotivation aufgebaut werden muss. Es ist
wird, den Nicotingehalt der Zigaretten und damit
davon auszugehen, dass sich in Deutschland etwa
das Abhängigkeitspotential bewusst erhöht zu ha-
76% der Raucher im Stadium des stabilen und wei-
tere 17% im Stadium des dissonanten Rauchens
befinden, während nur etwa 6% dem Stadium der
48 einen starken Wunsch oder Zwang verspürt zu Vorbereitung zuzuordnen sind (Rumpf et al. 1998).
49 rauchen und nicht abstinent leben kann,
50 Entzugserscheinungen entwickelt, wenn er das
Köllner/Broda,Praktische Verhaltsmedizin (ISBN3131321512)2005 Georg Thieme Verlag KG
Abb. 11.1 Fagerström-Test zur Ermittlung
1. Wann nach dem Aufstehen rauchen Sie die erste Zigarette?
2. Finden Sie es schwierig, sich an ein Rauchverbot (z. B. in der Kirche,
10 3. Auf welche Zigarette würden Sie nicht verzichten?11 R die erste am Morgen
13 4. Wie viele Zigaretten rauchen Sie am Tag?
1718 5. Rauchen Sie am Morgen im Allgemeinen mehr als am Rest des Tages?19 R Ja
2021 6. Kommt es vor, dass Sie rauchen, wenn Sie krank sind und tagsüber im22
24 25 Gesamtpunktzahl aus Fragen 1 – 6: 26 27Auswertung 280 – 3 Punkte geringe Abhängigkeit
294 – 7 Punkte mittlere Abhängigkeit
30In einem Beratungsgespräch sollte das Rauchverhalten erläutert werden.
Der Nikotinersatz ist hier ein effektives Hilfsmittel bei der Raucherentwöh-
31nung und sollte empfohlen werden. Dosierungen sind entsprechend des
32Rauchverhaltens zu wählen. 338 – 10 Punkte starke Abhängigkeit 34Mit dem Patienten sollte ein Beratungsgespräch über Nikotinabhängigkeit 35und Änderungen der Verhaltensweisen geführt werden. Bei diagnostizier-
ter starker Abhängigkeit ist in jedem Fall zu einer unterstützenden Nikotin-
36ersatztherapie zu raten, sie ist in Fällen starker Abhängigkeit fast immer
11.4 Aufbau von
Empfehlungen kann in der Lage sein, einen Rau-
Änderungsmotivation
cher in die Vorbereitungsphase zu führen, in der er
dann für entsprechende Hilfsangebote empfäng-
Diese Zahlen belegen, dass dem Aufbau von Verän-
derungsmotivation eine entscheidende Bedeutung
bei der Prävention von Tabak-Folgeerkrankungen
Entgegen weit verbreiteter Vorurteile ist die ärztli-
zukommt. Dies ist Aufgabe sowohl der Hausärzte
che Empfehlung, mit dem Rauchen aufzuhören,
als auch aller Fachärzte in Kliniken und Praxen.
eine sehr effiziente Intervention. Deren Erfolgsaus-
Der behandelnde Arzt sollte den Mut haben, bei
sichten können durch Berücksichtigung verhal-
möglichst jedem Patienten eine Raucheranamnese
tensmedizinischer Strategien weiter gesteigert
zu erheben und jedem Raucher die Empfehlung zu
geben, mit dem Rauchen aufzuhören. Jede dieser
Köllner/Broda,Praktische Verhaltsmedizin (ISBN3131321512)2005 Georg Thieme Verlag KG
Die besondere Chance des ärztlichen Gesprächs
Ausatemluft des Patienten gemessen und proto-
liegt darin, dass hier Menschen in einer Situation
kolliert werden. CO-Analyzer sind im medizini-
angetroffen werden, in der durch körperliche Sym-
schen Fachhandel erhältlich und nicht teuer. Sie
ptome oder die Diagnose einer Erkrankung bereits
können auch im weiteren Verlauf zur Erfolgskont-
Zweifel am bisherigen Umgang mit Nicotin indu-
ziert werden können. Hilfreich sind in dieser Be-
Stabile Raucher sollten nicht zu einem Versuch,
ziehung die Kurzstrategien „5A“ und „5R“ aus dem
mit dem Rauchen aufzuhören, gedrängt werden.
vom U.S. Department of Health and Human Sci-
Stattdessen kann ein Motivationsgespräch nach
ence (2000) herausgegebenen Standardwerkes
der „5R“-Strategie bei der nächsten Konsultation
„Treating Tobacco Use and Dependence“ (Tab. 11.1
sinnvoll sein. Diese Patienten können durch ein
und 11.2).
Motivationsgespräch in das Stadium eines disso-
Beim aktiven Raucher sollte der Fagerström-Test
nanten Rauchers überführt werden. Sie sind ggf.
eingesetzt werden. Außerdem kann als Biofeed-
bereit, innerhalb eines halben Jahres das Rauchen
back-Methode der Kohlenmonoxidgehalt in der
Tabelle 11.1 Die 5A-Kurzintervention zur Raucheranamnese und zur Motivation zur Nicotinfreiheit Ask about tobacco use:
27 In welchem Alter haben Sie mit dem Rauchen angefangen? 28 Fagerström-Test29 CO-Test30
Advise to quit:
31 Überzeugen Sie mit klaren, kurzen Worten jeden Tabakkonsumenten aufzuhören. Diese Empfehlung sollte
32 immer personenbezogen sein, d.h. an ein spezielles Anliegen des Patienten anknüpfen („Sie als Diabetiker soll-
33 ten nicht rauchen, weil …“ oder „Wenn Sie etwas gegen Ihre Potenzstörungen tun wollen, so ist es sinnvoll, mit 34 dem Rauchen aufzuhören“). 35
Assess willingness to make a quit attempt:
36 Prüfen Sie, ob der Tabakkonsument bereit ist, einen Aufhörversuch zu unternehmen.
37 Wenn ja: Assist (nächster Punkt).
38 Wenn nein: Informieren Sie sachlich auf Grund der persönlichen Befunde und Situation des Rauchers. Ergreifen
39 Sie die 5R-Strategie (Tab. 11.2)! 40 Assist in Quit Attempt:
43 ggf. Medikamente verordnen z.B. Nicotinersatztherapie, Bupropion
45 Besprechen Sie kurz die Herausforderungen, mögliche Entzugserscheinungen! 46 Empfehlen Sie, alle Tabakprodukte und Aschenbecher zu entfernen! 47
Arrange follow-up:
48 Nachsorgeplan mit definierten Terminen
49 Gespräch vor und nach dem Tag der Rauchfreiheit
50 Ansprechen des Themas in jedem Klinik-Entlassungsgespräch oder bei jedem Folgetermin in der Arztpraxis
51 Besprechung des Themas in jedem Entlassungsbrief oder Facharztbrief zur Information des Hausarztes52
Köllner/Broda,Praktische Verhaltsmedizin (ISBN3131321512)2005 Georg Thieme Verlag KG
Tabelle 11.2 Die 5R-Kurzintervention für ein Motivationsgespräch zur Nicotinfreiheit
1Relevance:
23Überzeugen Sie den Patienten, dass die Aufgabe des Rauchens für ihn persönlich relevant ist: „Sie als Patient mit 4kranken Herzkranzgefäßen, der gerade noch einmal mit dem Leben davon gekommen ist …“, „Sie als Diabetiker
sollten nicht mehr rauchen, weil …“, „Sie haben eine solch schlechte Lungenfunktion; deshalb …“, „Sie haben doch
6 7Risks: 8Erklären Sie dem Patienten seine persönlichen Risiken, wenn er weiter raucht: 9
akute Risiken: Atemnot, Asthmaverschlechterung, Impotenz …
10 Langzeit-Risiken: Herzinfarkte, Lungenkrebs, chronische Bronchitis mit Sauerstofflangzeitanwendung …
Umweltrisiken: Sie haben doch Kinder mit Heuschnupfen … Sie sind doch schwanger … Wenn Sie weiter ein sol-
11 ches Vorbild sind, fangen Ihre Kinder auch noch bald an, zu rauchen …
Rewards:
Was können Sie als Patient erwarten? Welchen Nutzen werden Sie von der Aufgabe des Rauchens haben? Beispiele:
15 baldige Besserung des Gesundheitszustandes 16 das Essen wird besser schmecken, Ihr Geruchssinn wird besser
17 Ihr Haus, Ihre Kleidung riechen besser
18 Sie sind ein gutes Beispiel für Kinder
Roadblocks:
Welche Hindernisse gibt es? Wie sind sie zu beseitigen?
25 fehlende Unterstützung 26 Depression 27 Tabakgenuss28
Repetition:
30 bei jeder Visite/jedem Praxisbesuch kurz wiederholt werden.
Die Tabakkonsumenten, die wieder rückfällig geworden sind, sollten erinnert werden, dass die meisten Raucher
mehrere Aufhörversuche unternehmen, bevor sie es endgültig schaffen. 11.5 Strategien zur
folgswahrscheinlichkeit deutlich besser, wenn das
Raucherentwöhnung
Paar sich entschließt, gemeinsam aufzuhören.
Punkt-Schluss-Methode. Wenn möglich, soll der Weitere Hilfsangebote. Wenn Patienten sich die-
aufhörwillige Patient dahin geführt werden, einen
sen Schritt alleine nicht zutrauen, wenn Hinweise
Rauchstopp nach der Punkt-Schluss-Methode zu
auf eine ausgeprägte Abhängigkeit bestehen oder
erreichen. Diese Methode hat eine höhere Erfolgs-
wenn der Abstinenzversuch scheitert, sollten wei-
quote als ein langsames Reduzieren der täglich ge-
tere Hilfen angeboten werden. Wirksam sind hier
rauchten Zigaretten. Schrittweise Reduktion sollte
nur verabredet werden, wenn der Patient sich die
Punkt-Schluss-Methode nicht zutraut. Auf jeden
Fall sollte ein konkreter Termin verabredet wer-
den, an dem der Patient nicotinfrei sein möchte.
Die Effektivität kann durch eine Kombination bei-
Der Patient sollte ermutigt werden, seinen Ent-
der Maßnahmen zusätzlich gesteigert werden.
schluss in seinem persönlichen Umfeld bekannt zu
Auch diese Kombination kann im Rahmen der psy-
geben und sich ggf. Unterstützungspersonen zu
chosomatischen Grundversorgung durchgeführt
suchen. Wenn beide Partner rauchen, ist die Er-
werden. Verhaltenstherapeutische Interventionen
Köllner/Broda,Praktische Verhaltsmedizin (ISBN3131321512)2005 Georg Thieme Verlag KG
zur Raucherentwöhnung sind bereits ab einer
11.5.2 Medikamentöse
Dauer von 3 x 30 Minuten wirksam (Cofta-Gunn et
Begleittherapie
Gemäß der Leitlinien der Bundesärztekammer
Belohnungen. Oft lässt sich die Motivation stei-
werden hier in erster Linie Nicotin-Ersatz-Präpa-
gern, wenn mit dem Patienten Belohnungen abge-
rate eingesetzt, evtl. in zweiter Linie auch Bupro-
sprochen werden, die er sich bei Nicotinfreiheit
pion (Zyban).
gönnt. Hier bietet es sich an, das gesparte Geld für
An Nicotinersatzpräparaten bieten sich an:
Zigaretten, für Belohnungen einzusetzen. Wenig
sinnvoll sind hierbei sehr langfristig wirksame Be-
lohnungen („das Geld kommt auf das Konto, von
Nicotinnasensprays oder -inhalatoren.
dem ich mir ein neues Auto kaufe“), da diese gegen
die kurzfristigen Verstärker des Rauchens wenig
Diese Präparate können miteinander kombiniert
wirksam sind. Effektiver sind zeitnahe Belohnun-
werden. Eine Nicotinersatztherapie ist vor allem
gen, wie z.B. Kino- oder Konzertbesuche.
sinnvoll, wenn der Patient sich für die Punkt-
11.5.1 Verhaltenstherapie Zusammenfassung
Zur verhaltenstherapeutischen Raucherentwöh-
Eine Kombination der Nicotinersatzpräparate
nung liegen gut evaluierte Therapieprogramme
mit Bupropion empfiehlt sich nicht wegen der
vor (Batra u. Buchkremer 2004). Obwohl sie auch
Gefahr, dass sich unter der Therapie eine arteri-
im Einzel-Setting eingesetzt werden können, emp-
fiehlt sich die Anwendung in der Gruppe, sowohl
Wegen der Gefahr einer bei Herz-Kreislauf-Pati-
aus ökonomischen Gründen als auch um die Vor-
enten bedrohlichen Nicotin-Überdosierung ist
teile sozialen Lernens und gegenseitiger Unter-
es problematisch, wenn parallel zur Nicotiner-
stützung nutzen zu können. Elemente solcher Pro-
Bei schwer abhängigen Patienten (z.B. solchen,
die auch nachts aufstehen, um zu rauchen),
29 Selbstbeobachtung und Verhaltensanalyse, z.B.
kann jedoch bei enger Führung des Patienten
30 Rauchen eher in Genuss-, Stress- oder Lange-
Nicotinersatz auch zur Unterstützung bei der
Reduktion der Zigarettendosis notwendig sein.
32 Auswahl der geeigneten Abstinenz-Strategie
33 und sinnvoller Unterstützungsmöglichkeiten,
34 Entwicklung alternativer Strategien für Situa- Der Vorteil der Nicotin-Ersatztherapie liegt darin,
35 tionen, in denen bisher geraucht wurde,
dass Entzugserscheinungen durch ein systemati-
36 soziales Kompetenztraining, um Verführungs- sches Verringern der Nicotindosis verringert wer-
den und dass der psychische vom körperlichen
38 Strategien für Problemsituationen (z.B. Ge- Entzug abgekoppelt wird. Ein möglicherweise zu
großer Schritt wird so in zwei besser zu bewälti-
gende Teilschritte aufgeteilt. Die Nicotinsubstitu-
tion muss hinreichend lange (etwa 3 Monate)
Gewichtszunahme. Da die Gewichtszunahme ei-
durchgeführt werden, um einem Rückfall vorzu-
ner der häufigsten Gründe für das Scheitern der
Nicotinabstinenz ist, hat es sich als sinnvoll erwie-
sen, Ernährungsberatung und ein Ausdauer-Trai-
nings-Programm in die Therapie zu integrieren. 11.6 Empirische Absicherung
Ebenso hilfreich kann das Vermitteln eines Ent-
spannungsverfahrens sein. Ein solches multimo-
Randomisierte Studien und Metaanalysen bele-
dales Behandlungsprogramm lässt sich besonders
gen eindeutig die Wirksamkeit und Effizienz
effektiv im Rahmen einer stationären Rehabilita-
des ärztlichen Ratschlags, mit dem Rauchen
tion oder Anschlussheilbehandlung realisieren.
aufzuhören (Barth u. Bengel, 2003). Hierbei ist
Köllner/Broda,Praktische Verhaltsmedizin (ISBN3131321512)2005 Georg Thieme Verlag KG
11.7 Literaturempfehlungen für Patienten
zu berücksichtigen, dass ein solcher Ratschlag,
Die Punkt-Schluss-Methode ist erfolgreicher als
auch wenn er in einem kurzen Gespräch mit
eine schrittweise Reduktion der täglich ge-
Herstellung einer persönlichen Betroffenheit
gegeben wird, nur sehr geringe Ressourcen ver-
Bieten Sie süchtigen Rauchern Unterstützung
braucht und deshalb häufig wiederholt werden
kann. Selbst wenn nur ein geringer Bruchteil
Verhaltenstherapeutische Gruppen stellen eine
der Ratschläge befolgt wird, liegt die Effizienz
weitere wirksame Form der Unterstützung dar.
noch höher als in aufwendigen Therapiepro-
Rauchende Ärzte und rauchendes Klinikperso-
nal haben als Modell eine sehr negative Wir-
Ebenfalls als effektiv haben sich Interventionen
kung. Deshalb sind rauchfreie Krankenhäuser
(vorzugsweise kurze Gruppenprogramme) er-
wiesen, die von hierfür geschultem medizini-
Lassen Sie sich nicht entmutigen. Ärztliche
schem Assistenzpersonal (z.B. Krankenschwes-
Interventionen zur Prävention Tabak beding-
ter, Arzthelferin) durchgeführt werden.
ter Erkrankungen sind langfristig wirkungs-
Bei den psychologischen Interventionen wurde
die Wirksamkeit kognitiver Verhaltenstherapie
16 in kontrollierten Studien nachgewiesen.
17 Ebenfalls gut belegt ist, dass die Abstinenzrate
18 insbesondere abhängiger Raucher durch Nicotin- 11.7 Literaturempfehlungen für
19 ersatztherapie signifikant erhöht werden kann.
Patienten
Auch für das Antidepressivum Bupropion konn-
21 te der Nachweis der Wirksamkeit erbracht wer- Batra, A., Buchkremer, G.: Nichtraucher in 6 Wochen,
22 den, allerdings können mögliche Nebenwirkun-
Hrsg. vom Arbeitskreis Raucherentwöhnung.
23 gen noch nicht abschließend beurteilt werden.
Lindinger, P.: Nichtrauchen und trotzdem schlank! Fi-
Keine hinreichende Evidenz konnte bisher für
scher Taschenbuch Verlag Frankfurt am Main 2000.
die Wirksamkeit von Hypnose und Akupunktur
Weiers-Croissant, K.: Anstiftung zum Nichtrauchen.
Zündende Ideen, die Ihnen helfen. Verlag für Medi-
zin und Gesundheit, Biebelsheim 2001.
28 29Zusammenfassung 30 Erheben Sie bei jedem Patienten eine Raucher- Literatur
32 Raten Sie jedem Raucher zur Nicotinfreiheit. Ge-
Barth J, Bengel, J.: Interventionen zur Raucherentwöh-
33 ben Sie diese Empfehlung so, dass sie auf die
nung bei kardiovaskulären Erkrankungen. Status-
konferenz Psychokardiologie, Bd. 6. Frankfurt, Ver-
persönliche Symptomatik oder Lebenssituation
lag für Akademische Schriften, 2003.
Batra, A. Buchkremer, G.,: Tabak-Entwöhnung – ein
36 Versuchen Sie, den Patienten durch entspre-
Leitfaden für Therapeuten. Stuttgart, Kohlhammer,
37 chende Strategien der Gesprächsführung (5 As
Bölcskei, P. L., Hering, T.: Strukturierte Raucherberatung
und 5 Rs) in das Stadium der Vorbereitung oder
und Tabakentwöhnung. Bundesverband der Pneu-
Versuchen Sie nicht, stabile Raucher zu „missio-
Cofta-Gunn, L., Wright, K.L., Wetter, D.W.: Evidence-
41 nieren“, sondern argumentieren Sie sachlich im
Based Treatments for tobacco Dependence. Evi-
42 Sinne einer Informationsvermittlung. Versu-
Deutsches Krebsforschungszentrum, Heidelberg: Die
chen Sie zu einem späteren Zeitpunkt (z.B. Auf-
Rauchersprechstunde. Rote Reihe Tabakprävention
treten neuer Symptome) Änderungsmotivation
und Tabakkontrolle. DKFZ, Heidelberg, 2000
Geisler, L. S., Rauchen und Atemwege, Verlag für ange-
46 Erfragen Sie mögliche Barrieren, die der Nicotin-
wandte Wissenschaften, München 1986.
Heatherton T. F., Kozlowski, L. T., Frecker, R. C., Fager-
freiheit im Wege stehen (z.B. Angst vor Ge-
ström, K.O.: The Fagerström-Test for Nicotin-De-
wichtszunahme) und erarbeiten Sie mit dem Pa-
pendence: a revision of the Fagerström Tolerance
tienten Strategien zu deren Überwindung.
Questionaire. Br J Addiction 86(1991): 1119–1127
Köllner/Broda,Praktische Verhaltsmedizin (ISBN3131321512)2005 Georg Thieme Verlag KG
Prochaska, J. O., DiClemente, C.C.: Toward a compre-
1 hensive model of change. In W.R. Miller & N. Heather
2 (Eds.): Treating addictive behaviors: Process of3 change. New York, Plenum, 1986, S. 3–274
Rumpf, H.-J., Meyer, C., Hapke U., Dilling, H., John, U.:
5 Stadien der Änderungsbereitschaft bei Rauchern in
der Allgemeinbevölkerung. Gesundheitswesen 60
U. S. Departement of Health and Human Services: Clini-8 cal Practice Guideline: Treating Tobacco Use And9 Dependence. U.S. Departement of Health and Hu-
man Services, Public Health Service, 2000.
10111213141516171819202122232425262728293031323334353637383940414243444546474849505152
Köllner/Broda,Praktische Verhaltsmedizin (ISBN3131321512)2005 Georg Thieme Verlag KG
Attention Deficit Hyperactivity Disorder (AD/HD) Attention Deficit/Hyperactivity Disorder (AD/HD) is a set of behaviours that usually show themselves in earlychildhood. The symptoms in children with ADHD are unlike the normally rambunctious behaviour of theirpeers. If not addressed, these behaviours can cause trouble for them at home, at school, and in thecommunity. There are three groups of